AI
Brüssel muss Apples Interesse an Mistral ernst nehmen
Apple könnte Mistral nach Amerika ziehen; Brüssel muss Europas Innovationsbasis mit entschlossenerer Fusionskontrolle verteidigen.

Als im August Berichte auftauchten, Apple habe einen Kauf des französischen KI-Start-ups Mistral geprüft, war die Sorge in Brüssel sofort spürbar. Denn anders als in klassischen Industrien droht Europa in der digitalen Ökonomie mit jedem Abfluss von Know-how einen Teil seiner Innovationsbasis zu verlieren.
Die EU hat in der Vergangenheit Übernahmen ausländischer Konzerne meist passieren lassen – etwa den Kauf von Arcelor durch Mittal Steel. In einer Industrie mit austauschbarer Produktionseinheit kann das ökonomisch sinnvoll sein. Doch bei Schlüsseltechnologien wie Künstlicher Intelligenz gilt ein anderes Gesetz: Innovation konzentriert sich in Clustern, in denen informelle Wissensströme und lokale Netzwerke entscheidend sind.
Ökonomen wie Adrien Matray haben nachgewiesen, dass Unternehmen bei einer Abwanderung nicht nur Jobs, sondern auch die Diffusion von Wissen mitnehmen. Bei General-Purpose-Technologien wie AI bedeutet dies, dass Europa seine Chance auf die nächste Welle technologischer Durchbrüche verliert.
Es wäre nicht das erste Mal, dass die EU kartellrechtlich eingreift. 2021 drohte Brüssel, Nvidias Übernahme des britischen Chipdesigners Arm zu blockieren, mit dem Argument, dass dadurch Innovationsströme in zentralen Technologiefeldern wie CPUs und autonomem Fahren versiegen könnten.
Apple hat gute Gründe, kritische KI-Kompetenzen in die USA zu verlagern. Das Unternehmen liegt im Wettbewerb hinter Google, Microsoft und OpenAI zurück und wird versuchen, Talente und Forschungsarbeit in sein eigenes Ökosystem einzubinden. Selbst wenn Apple zusichert, Mistral in Europa zu halten, sind solche Versprechen kaum belastbar – wie Tim Cooks Bereitschaft zeigt, Produktionskapazitäten nach US-Vorgaben zu verlagern.
Die EU-Kommission hat mit Mario Draghis Wettbewerbsbericht ein Mandat, stärker Gewicht auf Innovation zu legen. Sollte es zu konkreten Fusionsgesprächen kommen, müsste Brüssel Informationen anfordern, Zuständigkeit beanspruchen und im Zweifel blockieren. Denn Mistral ist zwar nicht garantiert das nächste OpenAI – aber es ist genau die Art von Hochrisiko-Investition, auf die Europa im KI-Wettlauf nicht verzichten kann.