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Wichtige Punkte der aktuellen Erntensaison im Überblick
Zwischen Konjunktursorgen und Preismacht offenbaren Dax-Konzernbilanzen seltene Einblicke und ein aufkommendes Risiko

Konjunktursorgen und Preismacht haben zu heftigen Kursverlusten bei den Dax-Konzernen geführt. Seit Anfang August ist der Börsenwert der Top 40 um etwa 190 Milliarden Euro gesunken. Die Aktionäre verkaufen ihre Anteile aus Angst vor den geopolitischen Krisen und der schwächeren Konjunktur im In- und Ausland.
Doch mit dem Start der Berichtssaison zum dritten Quartal stellen sich Anleger die Frage, ob die Nettogewinne weiter fallen oder gute Bilanzen die Aktienkurse wieder steigen lassen können. Im ersten Halbjahr war der Nettogewinn im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent auf 56 Milliarden Euro eingebrochen.
Doch die Analysten bleiben skeptisch, wie Andreas Hürkamp, Analyst der Commerzbank, bestätigt. Die jüngsten Gewinnwarnungen von Sartorius und VW verstärken diese Skepsis.
Um herauszufinden, ob sich die Analysten richtig einschätzen, müssen Anleger nicht bis zum Ende der Bilanzsaison warten. Eine exklusive Analyse des Handelsblatts zeigt, dass bestimmte Kennzahlen einiger Unternehmen Rückschlüsse auf ganze Branchen, den Dax oder sogar die Gesamtwirtschaft zulassen. Doch es gibt auch ein neues Problem. Laut Handelsblatt-Berechnungen erzielen die 40 Dax-Konzerne knapp vier Fünftel ihrer Umsätze im Ausland und nur gut ein Fünftel in Deutschland.
Besonders bedeutend ist dabei der US-Dollar, mit dem die meisten der Unternehmen ihre Geschäfte tätigen. Doch obwohl sie weltweit Erträge erzielen, bilanzieren sie diese komplett in Euro. Dies kann je nach Entwicklung der Währungskurse, die stark schwanken, entweder von Vorteil oder Nachteil sein.
Aktuell sind die Auswirkungen negativ, da der Euro in den letzten drei Monaten im Durchschnitt um8 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen ist. Wenn die Unternehmen also ihre Dollar-Erträge in Euro umrechnen, bekommen sie weniger Euro für jeden Dollar. Ein Beispiel dafür liefert SAP, das im dritten Quartal trotz einer Umsatzsteigerung um4 Prozent bereinigt um Währungseffekte einen Anstieg um 9 Prozent verzeichnen konnte. Auch das operative Ergebnis stieg um 11 Prozent, bei stabilen Währungskursen wären es sogar 16 Prozent gewesen.
Die Auswirkungen des starken Euros werden sich voraussichtlich auf fast alle Dax-Konzerne auswirken. Besonders betroffen sind jedoch exportstarke Unternehmen wie BMW und Mercedes, die hauptsächlich in US-Dollar handeln. Trotzdem haben beide Premium-Automobilhersteller ihre Jahresprognosen nach einem erfolgreichen ersten Halbjahr erhöht und konnten höhere Preise durchsetzen.
Aktionäre sollten darauf achten, ob sie auch nach der Gewinnwarnung von Volkswagen am Freitagabend an ihren Zielen festhalten werden, trotz des stärkeren Euros und der schwierigeren Wettbewerbssituation im Dollar-Raum. Hinzu kommen auch Belastungen in China, einem wichtigen Absatzmarkt. Die erwartete Erholung nach der Aufhebung der harten Corona-Beschränkungen ist bislang ausgeblieben, wie auch Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius bei der Vorlage der Halbjahreszahlen bemerkte.
In der Vergangenheit traten Währungsverluste oft zusammen mit einer prosperierenden Konjunktur auf. Die steigende Nachfrage ermöglichte es den Unternehmen, diese Belastungen aufzufangen. Doch dieses Mal kommt der starke Euro zur Unzeit, da die Nachfrage sinkt, die Zinsen steigen und die Konjunktur schwächelt. Dies bestätigt auch ein Frankfurter Händler.
Ein guter Indikator für die globale Wirtschaft ist der Transport von Waren über Land, Wasser und Luft. Wenn mehr Waren verschifft, geflogen, auf der Straße oder per Zug transportiert werden als im Vorjahr, deutet dies auf eine starke Konjunktur hin. Sinken jedoch die Frachtraten, signalisiert dies eine schwächere Weltwirtschaft. Als Europas größter Logistiker und einer der größten weltweit ist die Deutsche Post (DHL) ein guter Seismograf für die zukünftige wirtschaftliche Lage.
Aktionäre sollten daher genau beobachten, ob DHL an seinen angehobenen Jahreszielen festhält, die nach dem ersten Halbjahr nochmals leicht angehoben wurden. Bis zum Jahr 2025 soll der operative Gewinn wieder bei über 8 Milliarden Euro liegen, fast so viel wie im Rekordjahr 2022. Doch es gibt Zweifel an dieser Prognose, da die Post bereits jetzt die Folgen des schwachen Wachstums in China und Europa spürt.
Dies führt zu geringerem Transport von Gütern per Luft und See, was weltweit zu sinkenden Frachtpreisen führt. Die durchschnittlichen Schätzungen der Analysten für das Gesamtjahr 2021 sind von etwas mehr als 4 Milliarden Euro vor sechs Monaten auf nun 3,88 Milliarden Euro gesunken.
"Wir haben sowohl bei Luft- als auch Seefracht gesehen, dass sich die chinesische Wirtschaft weniger dynamisch entwickelt hat, als wir uns das alle erhofft haben", erklärte DHL-Finanzchefin Melanie Kreis bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen. Darüber hinaus belasten auch Einbußen im deutschen Brief- und Paketgeschäft das Unternehmen. Angesichts der gestiegenen Inflation wurden höhere Tarifgehälter vereinbart, was die Personalkosten erhöht.
Laut Kreis beläuft sich der zusätzliche Aufwand allein im ersten Quartal des Jahres auf 115 Millionen Euro und wird sich in den nächsten Quartalen fortsetzen.
BASF, Europas größter Chemiehersteller, hat jüngst eine drastische Gewinnwarnung herausgegeben. Die Auswirkungen dieser Maßnahme sind jedoch nicht nur für den Konzern selbst, sondern auch für die gesamte Industriebranche sowie den Leitindex Dax von großer Bedeutung. Vor allem da BASF-Konzernchef Martin Brudermüller noch im zweiten Quartal berichtete, dass die weltweite Nachfrage nach Chemikalien ihren Tiefpunkt erreicht habe und Kunden ihre Lagerbestände deutlich reduziert hätten.
Doch nun zeigte sich im zweiten Quartal eine deutliche Schwäche in der Nachfrage, was zur Herabsetzung der erwarteten Spanne für den operativen Gewinn vor Sondereinflüssen führte – von ursprünglich 4,8 bis 5,3 Milliarden Euro auf nunmehr vier bis 4,4 Milliarden Euro. Eine Entwicklung, die immer mehr Analysten, wie zuletzt Sebastian Bray von der Privatbank Berenberg, dazu veranlasst, ihre Prognosen für BASF erneut zu senken.
Auch die allgemeinen Gewinnaussichten für den europäischen Chemiesektor haben sich drastisch verringert. Während Analysten zu Jahresbeginn für 2023 lediglich einen Rückgang von knapp zwölf Prozent erwarteten, ist diese Zahl mittlerweile auf 33 Prozent gestiegen. Laut Deutsche-Bank-Chefanlagestratege Ulrich Stephan sind die Belastungen durch schwache Nachfrage und niedrige Weltmarktpreise für chemische Grundprodukte nicht absehbar.
Dieser konjunkturelle Abschwung macht jedoch nicht alle Dax-Konzerne betroffen. Einige Unternehmen trotzen der schwächer werdenden Nachfrage, und auch steigende Zinsen – die zukünftige Finanzierungskosten verteuern – sind nicht für alle ein Problem. Dies gilt vor allem für Unternehmen mit geringer Verschuldung wie Beiersdorf oder solche, die von steigenden Zinseinnahmen profitieren, wie zum Beispiel Banken und Versicherer. So erhöhte der Rückversicherer Munich Re am Montag seine Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr.
Auch bekannte Markenhersteller wie SAP und die Deutsche Börse bestätigen, dass der konjunkturelle Abschwung nicht alle Dax-Konzerne erreicht hat, wie bereits ihre Zahlen zum dritten Quartal gezeigt haben. Weitere gute Nachrichten können erwartet werden, insbesondere von Herstellern von Premiumartikeln, die trotz des Abschwungs weiterhin eine robuste Nachfrage und positive Aussichten verzeichnen.
Doch nicht nur bekannte Markenhersteller, sondern auch Unternehmen, von denen man es vielleicht nicht auf den ersten Blick vermuten würde, profitieren von den weltweit steigenden Preisen. Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck beispielsweise reagierte frühzeitig auf die starke Nachfrage mit Preiserhöhungen und kann somit auch weiterhin von einem hohen Weltmarktanteil und steigenden Gewinnen profitieren.
Ähnliche Entwicklungen sind auch bei anderen Unternehmen, wie beispielsweise Henkel, Heidelberg Materials und Daimler Truck zu beobachten, die alle von steigenden Preisen und somit höheren Gewinnen profitieren. Jedoch müssen sie auch die sinkende Bautätigkeit im Auge behalten, die sich möglicherweise negativ auf ihre Geschäfte auswirken könnte.
Bei all diesen Entwicklungen fällt auf, dass die Strategie der Preiserhöhung, um steigende Kosten für Energie und Material auszugleichen, bisher gut aufgegangen ist – jedoch ist fraglich, ob sie langfristig aufrechterhalten werden kann. Ein genauerer Blick auf die Quartalszahlen wird hier aufschlussreich sein.