Der weltweit führende Sportartikelhersteller Nike hat eines der schwärzesten Geschäftsjahre seiner Unternehmensgeschichte hinter sich: Im am 31. Mai beendeten Fiskaljahr sanken die Umsätze um 10 Prozent – das zweitschlechteste Ergebnis seit dem Börsengang 1980. Der Gewinn brach im gleichen Zeitraum nahezu um die Hälfte ein. Analysten sprechen von einem „kitchen sink“-Moment – einem radikalen Reinigungsprozess unter neuem Management.
Elliott Hill, der im vergangenen Jahr als CEO aus dem Ruhestand zurückkehrte, hat das Ruder übernommen und setzt auf Kurskorrektur. Nach den umstrittenen Maßnahmen seines Vorgängers John Donahoe, der stark auf den Direktvertrieb setzte und etablierte Einzelhändler abkoppelte, steuert Hill nun gegen. Er setzt auf die Wiederbelebung des Wholesale-Kanals, investiert wieder in Hochleistungssportprodukte und reduziert gleichzeitig Lagerbestände. Die Rückbesinnung auf Innovation statt Retro-Trends soll verlorene Marktanteile zurückerobern, etwa gegenüber dynamischen Wettbewerbern wie On und Hoka.
Neben operativen Herausforderungen steht Nike auch geopolitisch unter Druck: US-Präsident Donald Trumps Strafzölle auf wichtige Handelspartner dürften das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar kosten. Hill reagiert mit Preisanpassungen und einer Umschichtung von Lieferketten aus China in andere Produktionsländer.
Trotz fehlender Jahresprognose quittierte der Kapitalmarkt die schlechten Nachrichten mit Optimismus: Am Tag nach der Zahlenvorlage stieg die Aktie um 15 Prozent, seit dem Jahrestief im April legte sie fast 40 Prozent zu. Das Bewertungsniveau ist ambitioniert – mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 40 (laut LSEG) so hoch wie seit über drei Jahren nicht mehr.
Historisch betrachtet hat Nike bereits bewiesen, dass ein dramatischer Einbruch nicht das Ende bedeuten muss. Nach einem Umsatzrückgang im Jahr 1987 folgte ein fulminantes Comeback dank der ikonischen „Just Do It“-Kampagne und dem Erfolg der Nike Air-Reihe. In den darauffolgenden vier Jahren wuchs das Unternehmen jeweils um über 30 Prozent.
Ob Hill ein ähnlicher Befreiungsschlag gelingt, bleibt abzuwarten. Doch mit dem entschlossenen Strategiewechsel und der offenen Kommunikation über Risiken hat Nike den Grundstein gelegt – und sich bei Investoren neues Vertrauen erarbeitet.