Amazon zieht sich weiter aus China zurück und schließt sein 2018 gegründetes KI-Forschungslabor in Shanghai. Die Entscheidung fällt inmitten wachsender geopolitischer Spannungen zwischen den USA und China, die den Technologietransfer zunehmend belasten. Damit folgt der E-Commerce-Konzern US-Rivalen wie IBM und Microsoft, die ihre China-Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung zuletzt ebenfalls stark reduziert haben.
Ein Teamleiter des Labors, Wang Minjie, bestätigte die Auflösung in einem WeChat-Beitrag: „Unser Team wird aufgrund strategischer Anpassungen im Zuge der US-chinesischen Spannungen aufgelöst.“ Das AWS-Labor habe über 100 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht und sei maßgeblich an der Entwicklung eines Open-Source-Frameworks für Graphen-basierte neuronale Netzwerke beteiligt gewesen – eine Technologie, die Amazon eigenen Angaben zufolge rund eine Milliarde Dollar Umsatz eingebracht habe.
Amazon selbst kommentierte die Schließung nur knapp. Sprecher Brad Glasser sprach am Mittwoch von „schwierigen geschäftlichen Entscheidungen“, die notwendig seien, um Ressourcen zu optimieren, Investitionen zu steuern und den Personalbedarf an veränderte strategische Prioritäten anzupassen. Genaue Angaben zur Zahl der betroffenen Stellen machte der Konzern nicht. Schätzungen zufolge hatte AWS zeitweise über 1.000 Mitarbeiter in China.
Die Schließung fällt in eine Phase globaler Stellenstreichungen bei Amazon. CEO Andy Jassy hatte bereits im Juni vor Jobverlusten gewarnt, die durch die zunehmende Automatisierung und KI-Nutzung bedingt seien.
Der Schritt steht exemplarisch für die schwieriger werdenden Rahmenbedingungen für westliche Technologieunternehmen in China. US-Exportkontrollen schränken seit 2023 den Zugang chinesischer Unternehmen zu Hochleistungs-Halbleitern und Cloud-Diensten massiv ein. Der transnationale Austausch von KI-Forschung wird zunehmend blockiert. Auch Microsoft hatte Anfang des Jahres mehreren Hundert in China ansässigen Cloud- und KI-Fachkräften Umsiedlungsoptionen ins Ausland angeboten.
Amazon hatte sich schon in früheren Jahren schrittweise aus dem chinesischen Markt zurückgezogen. 2019 beendete der Konzern sein E-Commerce-Geschäft auf dem Festland. Im vergangenen Jahr folgte das Aus für den Kindle-Store in China. Die verbleibenden AWS-Aktivitäten konzentrieren sich vorrangig auf die Unterstützung multinationaler Kunden in China und chinesischer Firmen mit internationalen Operationen.