478 Meilen Reichweite, ein Einstiegspreis jenseits der £100.000-Marke und ein Markenauftritt, der auf ikonische Erkennungszeichen bewusst verzichtet – Jaguars neue Designstudie „Type 00“ signalisiert einen tiefgreifenden Bruch mit der eigenen Vergangenheit. Die britische Traditionsmarke, seit 2008 Teil von Tata Motors, setzt auf eine Zukunft jenseits des Massenmarkts.
Das „Project Roar“, offiziell 2024 lanciert, sieht ab 2026 eine rein elektrische Modellpalette vor. Der Konzern will £18 Milliarden in neue Fertigungsanlagen und Qualifizierungsmaßnahmen investieren. Das ambitionierte Ziel: den Turnaround endlich schaffen – mit einem Geschäftsmodell, das auf Exklusivität statt Volumen setzt. Nur rund 30.000 Fahrzeuge jährlich sollen künftig verkauft werden, um die Gewinnschwelle zu erreichen – etwa die Hälfte des früheren Absatzes.
Für Jaguar steht nicht mehr die breite Akzeptanz im Vordergrund, sondern eine neue, bewusst elitäre Kundschaft. Der Vertrieb der künftigen Modelle soll über Einladung in temporären Showrooms in wohlhabenden Metropolen erfolgen. Zielgruppe sind junge, global mobile Sammler, die den „Type 00“ als Objekt progressiven Lifestyles begreifen – ähnlich wie sie einst den Apple Watch oder den Tesla Cybertruck adoptierten.
Der Launch des Modells wurde flankiert von einer Werbekampagne, die unter Autopuristen für Irritation sorgte. Der 30-sekündige Spot zeigte weder Fahrzeug noch Motorenklang, sondern Models, eine Mondlandschaft und abstrakte Claims wie „break moulds“ und „copy nothing“. Für viele innerhalb der Marke ging die Provokation zu weit. In sozialen Medien wurde der Stil als „woke“ kritisiert, langjährige Fans fühlten sich brüskiert.
Doch die Verantwortlichen sehen die Kontroverse als Stärke. Gerry McGovern, Chief Creative Officer, spricht von „fearless creativity“. Der „Type 00“ sei wie ein ikonisches Bauwerk – nicht für alle gedacht, aber unübersehbar. Die Einzigartigkeit, nicht der Konsens, sei das Ziel. Auch CEO Adrian Mardell verteidigte die Kampagne als „bold“ – produziert wurde sie intern. Jaguar solle, so Managing Director Rawdon Glover, „sozial relevant“ bleiben.
Dass der „Type 00“ mit 5,1 Metern Länge auf europäischen Straßen kaum praktikabel erscheint, ficht die Führung nicht an. Kritik, wonach Jaguar spät in den EV-Markt eingestiegen sei, wird mit Verweis auf das neue Markenerlebnis kontert: nicht technologische Vorreiterrolle, sondern kulturelle Relevanz steht im Fokus. Die Mission: weniger Masse, mehr Wirkung.
Doch das Risiko bleibt. Die Dekonstruktion des Markenimages, aufgebaut über Jahrzehnte, kann ebenso scheitern wie beflügeln. Jaguar setzt alles auf eine Karte – mit einem Produkt, das nicht jedem gefallen soll, aber niemandem egal sein darf.