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Europas Versicherer glänzen mit Wachstumszahlen – Trotz Alters erreicht die Branche neue Höhen
Stabile Cashflows, hohe Zinsen und M&A-Fantasie bescheren Europas Versicherern Marktgewinne auf Tech-Niveau.

Der europäische Versicherungssektor erlebt derzeit eine Renaissance, die angesichts seiner demografischen Struktur fast paradox wirkt: Die zehn größten börsennotierten Versicherer Europas bringen es auf ein Durchschnittsalter von rund 170 Jahren – und doch legen ihre Aktien eine Performance hin, die selbst ambitionierte Tech-Start-ups neidisch machen dürfte.
Der Stoxx 600 Insurance Sub-Index, der 30 führende Versicherungsgruppen umfasst, legte im ersten Halbjahr 2025 um 15 Prozent zu – das beste Halbjahresergebnis seit 2019. Auf Sicht von ein und drei Jahren liegt der Index in Euro gerechnet sogar vor dem S&P 500, über fünf Jahre ist der Gleichstand greifbar nahe.
Die Kursrally ist das Ergebnis eines fundamentalen Strukturwandels: Seit dem Zinsanstieg 2022 profitieren Versicherer – ähnlich wie Banken – von höheren Erträgen auf ihre festverzinslichen Portfolios. Gleichzeitig treiben expansive Fiskalpolitiken der Eurozone die Renditen weiter nach oben, selbst während Leitzinsen wieder sinken.
Der Sektor erscheint auch als sicherer Hafen in geopolitisch unruhigen Zeiten. Die stabile Cashflow-Struktur europäischer Versicherer hat zuletzt vermehrt das Interesse internationaler Investoren geweckt. Andy Briggs, CEO der in London gelisteten Phoenix Group, berichtete auf dem Global Insurance Summit der Financial Times von zunehmender Aufmerksamkeit aus den USA.
Allerdings hat die starke Kursentwicklung auch ihren Preis. Laut Bloomberg liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Stoxx-Insurance-Index bei 12,3 – deutlich über dem historischen Durchschnitt von 10,5. Auch gemessen am Buchwert ist die Bewertung so hoch wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr.
Schwieriger ist die Lage in der Schweiz. Die Stärke des Franken zwang die SNB jüngst dazu, ihren Leitzins auf null zu senken – mit spürbaren Folgen für heimische Versicherer. Swiss Re und Zurich zählen bislang zu den schwächsten Performern des Index im laufenden Jahr.
Doch die langfristigen Perspektiven bleiben robust. Die Einschätzung, dass die Inflation strukturell über früheren Zielwerten bleiben könnte, wirkt sich positiv auf langfristige Anleiherenditen und damit auf die Kapitalanlagen der Versicherer aus. Analysten von KBW sprechen gar vom „attraktivsten makroökonomischen Umfeld seit einer Generation“.
Für zusätzliche Dynamik sorgt auch die Konsolidierungsfantasie. Die kürzlich abgeschlossene Übernahme von Direct Line durch Aviva im Volumen von 3,7 Milliarden Pfund befeuert Spekulationen über weitere Zusammenschlüsse. Gleichzeitig setzt der Branchengigant Allianz verstärkt auf organisches Wachstum: Statt wie bisher rund 6 Prozent peilt man künftig ein Gewinnwachstum pro Aktie von bis zu 9 Prozent an.
Das mag noch keine Nvidia-Dimensionen erreichen – doch Europas Versicherer zeigen, dass sie mehr sind als nur Relikte einer vergangenen Finanzepoche.