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NatWest ohne Staat: Ein Traditionsinstitut zwischen Erinnerung und Versuchung

Nach dem Ausstieg des Staats muss NatWest zeigen, dass es gelernt hat, nachhaltige Führung über modische Strategien zu stellen.

Eulerpool News 16. Juni 2025, 18:01

Mit dem vollständigen Ausstieg der britischen Regierung endet eine Ära für NatWest – und beginnt zugleich eine kritische Phase der Eigenverantwortung. Fast zwei Jahrzehnte nach der milliardenschweren Rettung im Zuge der Finanzkrise steht die Bank wieder auf eigenen Beinen. Die Frage ist, ob sie diesmal auf Kurs bleibt.

Die Regierung hatte 2008 rund 46 Milliarden Pfund in die damalige Royal Bank of Scotland (RBS) gepumpt, um deren Zusammenbruch zu verhindern. Der Großteil dieser Summe floss in die Übernahme von NatWest, das 2000 selbst in den Strudel eines missglückten Übernahmeversuchs geraten war. Was folgte, war eine der tiefgreifendsten Restrukturierungen der britischen Bankgeschichte.

Doch der eigentliche Verfall begann lange vor der Finanzkrise. In den 1970er- und frühen 80er-Jahren war NatWest ein konservativer, aber profitabler Marktführer im britischen Privatkundengeschäft – mit zweistelligen Eigenkapitalrenditen und technologischem Weitblick. Doch die Management-Elite folgte dem Ruf der globalen Universalbank, expandierte nach Europa und in die USA, baute eine Investmentbank auf – und produzierte damit regelmäßig Verluste.

Bis 1997 lag die Eigenkapitalrendite des britischen Geschäfts bei 25,6 %, der Konzernschnitt jedoch bei nur 7,8 %. Hohe Kostenquoten, strategische Verzettelung und enttäuschte Aktionäre zwangen das Management zu Verkäufen – doch statt sich wieder auf das Kerngeschäft zu konzentrieren, versuchte man mit der geplanten Übernahme des Versicherers Legal & General 1999 eine „Bancassurance“-Strategie. Die Vision scheiterte – und mit ihr NatWest: Ein Übernahmeangebot durch RBS beendete die Eigenständigkeit.

Heute erinnert sich kaum jemand außerhalb der Branche an diese Episode. Doch die aktuellen Entscheidungsträger bei NatWest waren während der Finanzkrise 2008 bereits im Geschäft – eine kollektive Erinnerung, die bislang wachsam machte. Die Frage ist, wie lange dieser Erinnerungsvorteil noch wirkt. Fildes’ Gesetz besagt, dass Finanzkatastrophen sich dann wiederholen, wenn sich niemand mehr an die letzte erinnern kann.

Die Herausforderungen sind bekannt: Der Aufstieg von Fintechs, struktureller Margendruck im Zinsgeschäft, regulatorische Anforderungen und der technologische Wandel durch Künstliche Intelligenz fordern klare Prioritäten und eine realistische Wachstumsstrategie. Die Bank hat in den letzten 17 Jahren Vertrauen zurückgewonnen. Dass sie dieses erneut verspielt, kann sie sich nicht leisten – die Zeit der Rettung ist vorbei.

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