Südkoreas größte Konzerne beschleunigen ihre Restrukturierungsbemühungen, da der Wettbewerbsdruck aus China steigt und neue US-Zölle drohen. Unternehmen aus den Bereichen Stahl, Petrochemie, Einzelhandel, Halbleiter und Elektrofahrzeug-Batterien verkaufen Randgeschäfte oder fusionieren Tochtergesellschaften, um Kapital freizusetzen und sich stärker auf Zukunftsmärkte zu konzentrieren.
Die Zahl der Fusionen und Übernahmen in Südkorea stieg 2024 von 817 auf 930, während ihr Gesamtwert von 50,8 Milliarden auf 68,3 Milliarden US-Dollar wuchs, wie aus Daten von Dealogic hervorgeht. Branchenexperten erwarten, dass sich dieser Trend 2025 angesichts der protektionistischen Handelspolitik der USA weiter beschleunigt.
„Die Restrukturierungen in Korea werden in erster Linie aus einer defensiven Haltung heraus vorangetrieben“, sagte Jaewoo Lee, Managing Partner bei Ropes & Gray in Seoul. „Viele Unternehmen bereiten sich auf wirtschaftlich schwierige Zeiten vor.“
Der Mischkonzern SK Group hat allein in den ersten neun Monaten 2024 die Zahl seiner Geschäftseinheiten von 716 auf 660 reduziert und Sparten wie Autovermietung, Spezialgase und Polyurethane an Private-Equity-Investoren verkauft. „Die geopolitische Lage ändert sich rasant, daher konzentrieren wir uns auf die richtigen Geschäftsbereiche, um in Zukunftsmärkte wie Künstliche Intelligenz zu investieren“, teilte das Unternehmen mit.
Auch andere Konzerne setzen auf Verschlankung. Stahlriese Posco trennte sich 2024 von 45 unrentablen Tochtergesellschaften, um Kapital für Wachstumsbereiche freizusetzen. Lotte Group will sich von Auslandsbeteiligungen in der Chemiebranche sowie vom Bankautomaten-Geschäft trennen, da der heimische Konsum schwächelt und die Bevölkerung schrumpft.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind angespannt: Südkoreas Zentralbank senkte ihre Wachstumsprognose für 2025 auf 1,5 Prozent, nachdem sie vor einem Jahr noch bei 2,3 Prozent lag. Zudem fielen die Exporte in den ersten zwei Monaten 2025 um 4,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Besondere Sorgen bereiten Unternehmen die Pläne von US-Präsident Donald Trump, 25-Prozent-Zölle auf südkoreanischen Stahl und Aluminium zu erheben und Abgaben auf Autos und Halbleiter zu prüfen. Auch die Subventionen für Elektrofahrzeuge könnten gekürzt werden – ein Problem für SK Group, die mit ihrer Batterie-Sparte SK On stark vom US-Markt abhängt.
Darüber hinaus sehen sich südkoreanische Unternehmen durch Chinas technologische Aufholjagd unter Druck. Die Investitionslücke in Forschung und Entwicklung zwischen beiden Ländern wuchs von 9 Milliarden US-Dollar vor einem Jahrzehnt auf über 150 Milliarden im Jahr 2023, wie der südkoreanische Industrieverband FKI berichtet. FKI-Präsident Ryu Jin warnte kürzlich: „Das Zeitfenster, um unsere Wachstumsdynamik wiederzubeleben, schließt sich.“
Während viele Unternehmen ihre Strukturen überdenken, hält sich Marktführer Samsung bislang zurück. Der Konzern, dessen 22 Tochterunternehmen 2024 einen Marktkapitalisierungsverlust von 23 Prozent erlitten, setzt statt auf Restrukturierung auf gezielte Investitionen in Robotik, KI und Biotechnologie. „Wir stärken unsere Kernkompetenzen mit einem langfristigen Fokus“, erklärte Samsung Electronics.
Trotz des Konsolidierungsdrucks sehen Experten keine Notverkäufe. „Private-Equity-Investoren haben reichlich Kapital, und es gibt nur eine begrenzte Anzahl attraktiver Verkaufsobjekte“, sagte Lee. „Unternehmen sind besorgt, aber nicht verzweifelt.“