Die Hoffnung auf das größte Börsendebüt in London seit Jahren ist geplatzt: Die Fast-Fashion-Plattform Shein Group Ltd. verlagert ihre IPO-Pläne offenbar nach Hongkong. Die ursprünglich angestrebte Bewertung von bis zu 50 Milliarden Pfund hätte der London Stock Exchange (LSE) neuen Glanz verliehen. Doch Governance-Bedenken, politische Kritik und drohende Zölle machten den Deal zunehmend untragbar – für Investoren wie für Aufsichtsbehörden.
Bereits vor der endgültigen Absage hatte Sheins Geschäftsmodell in Großbritannien scharfe Kritik ausgelöst. Fragen zu Arbeitsbedingungen in der Lieferkette, problematische Materialbeschaffung und eine mangelnde regulatorische Transparenz rückten das Unternehmen ins Zwielicht. Die Genehmigung durch chinesische Behörden für eine UK-Notierung steht bis heute aus.
Für den Londoner Kapitalmarkt bedeutet Sheins Rückzug zwar einen symbolischen Dämpfer – strategisch aber keinen Wendepunkt. „Die IPO-Pipeline war auch ohne Shein intakt“, betont Jamie Constable von Singer Capital Markets. Vielmehr rücken nun Kandidaten mit klarer Struktur und nachhaltigem Geschäftsmodell in den Vordergrund.
Cobalt Holdings Plc etwa plant am 10. Juni sein Debüt an der LSE. Es wäre der größte Börsengang seit zwei Jahren. Auch iForex und Metlen Energy & Metals SA, zuletzt noch an der Athener Börse, bereiten Listings vor. Parallel trennt sich Anglo American von seinem Platingeschäft, das künftig eigenständig in London notiert sein wird. Unilever stellt unterdessen die Weichen für eine Dreifach-Notierung seiner Speiseeis-Sparte in London, Amsterdam und New York – operativ startet die Einheit im Juli.
Entscheidend für die Wiederbelebung des Markts seien nicht Mega-Deals wie Shein, sondern Qualität, betont Mike Jacobs von Herbert Smith Freehills: „Wichtiger als Schlagzeilen sind solide Fundamentaldaten und vernünftige Bewertungen.“ Auch laufende Reformen im Kapitalmarktrecht sollen dafür sorgen, dass London als Listing-Standort international wieder attraktiver wird.
Anna Macdonald von Aubrey Capital Management fasst zusammen: „Shein war ohnehin nie das Vorzeige-IPO, das der LSE sich gewünscht hätte.“