Zwischen April 2024 und Ende Mai 2025 wurde bei 42 von 110 öffentlichen M&A-Transaktionen mit börsennotierten britischen Unternehmen vorab in den Medien spekuliert – noch bevor die offiziellen Übernahmemeldungen veröffentlicht wurden. Das geht aus neuen Daten hervor, die die Financial Conduct Authority (FCA) auf Anfrage der Financial Times veröffentlichte. Die britische Finanzaufsicht warnt vor einem zunehmenden „Leakage“-Problem in der Londoner City – und einem wachsenden Reputationsrisiko für den Finanzplatz.
Der Anteil vorzeitig durchgesickerter Deals liegt mit 38 Prozent deutlich über dem weltweiten Schnitt. Laut einer Analyse von H/Advisors Abernathy lag die globale Quote für Takeovers über einer Milliarde Dollar im Jahr 2024 bei 31 Prozent. FCA-Beamte vermuten hinter der Entwicklung strategisch motivierte Indiskretionen: Zielgesellschaften könnten gezielt Gerüchte streuen, um das Interesse alternativer Bieter zu wecken oder unerwünschte Käufer öffentlich unter Druck zu setzen. Ein Investmentbanker klagte gegenüber der Aufsicht, ein Leak habe seinem Mandanten 42 Mio. £ zusätzlich gekostet.
Der Verdacht: Nicht nur ungewollte Medienberichte, sondern auch kursrelevante Transaktionen selbst scheinen immer häufiger vorab bekannt zu werden. Laut FCA-Daten kam es bei 38 Prozent der britischen Übernahmen im Jahr 2024 zu auffälligen Kursbewegungen in den zwei Tagen vor der Bekanntgabe – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Fünfjahresschnitt von 32 Prozent. Die Aufseher betonen jedoch, dass diese Daten methodische Grenzen hätten: Nicht jede Insiderinformation führt zwingend zu Preisbewegungen, und umgekehrt könnten Kursanstiege auch durch Analystenschätzungen oder mediale Treffer bedingt sein.
Bereits im März hatte die FCA öffentlich vor einer Zunahme solcher Fälle gewarnt. Sie berief M&A-Verantwortliche großer Investmentbanken ein und diskutierte gemeinsam mit dem Takeover Panel, wie man gezielter gegen Marktmissbrauch vorgehen könne. Parallel wurden 33 offizielle Untersuchungen zu möglichen Marktverstößen zwischen Anfang 2020 und März 2025 eingeleitet – davon allein drei im letzten Jahr.
Die jüngste Spekulation um eine angebliche Mega-Fusion zwischen Shell und BP, die von Shell umgehend dementiert wurde, zeigt exemplarisch die Brisanz. Für die FCA steht viel auf dem Spiel: Die Integrität des britischen Kapitalmarkts hängt maßgeblich davon ab, wie glaubwürdig vertrauliche Prozesse geschützt werden können.