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Brüssel startet Quantum-Offensive gegen US-Abhängigkeit
Die EU bündelt Kapital und Know-how für Quantencomputing, um strategische Autonomie gegenüber den USA aufzubauen.

Die EU-Kommission will Europas Rückstand bei Zukunftstechnologien verkleinern und setzt dazu gezielt auf den Aufbau eines wettbewerbsfähigen Ökosystems für Quantencomputing. Am Mittwoch legt die Kommission eine neue Strategie vor, die finanzielle Mittel und technologische Kompetenzen bündeln soll, um heimische Start-ups zu fördern und Investitionen zu mobilisieren.
Im Zentrum steht die Erkenntnis, dass Europa zwar wissenschaftlich gut aufgestellt ist, aber häufig beim Sprung von der Forschung in die Anwendung scheitert. „Viele europäische Start-ups müssen in die USA ausweichen, weil ihnen hier das Wachstumskapital fehlt“, sagte Kommissionsvizepräsidentin Henna Virkkunen der Financial Times. Besonders Risikokapital sei in Europa weiterhin knapp – ein Problem, das nun angegangen werden soll.
Der Vorschlag der Kommission ist Teil des nächsten siebenjährigen EU-Haushalts, der Mitte Juli vorgestellt wird. Neben einer besseren Ausstattung des Forschungsprogramms Horizon Europe plant Brüssel auch einen neuen „Scale-Up Europe Fund“, um gemeinsam mit privaten Investoren Tech-Unternehmen beim Wachstum zu unterstützen.
Quantencomputer gelten als Schlüsseltechnologie mit enormem wirtschaftlichem und sicherheitspolitischem Potenzial. Anders als klassische Rechner arbeiten sie mit Quantenbits (Qubits), die komplexe Probleme exponentiell schneller lösen können – etwa in der Kryptografie, medizinischen Forschung oder militärischen Simulationen. Die Technologie steht kurz davor, marktfähig zu werden, doch ohne gezielte Investitionen droht Europa erneut ins Hintertreffen zu geraten.
Nur vier der 50 weltweit führenden Tech-Unternehmen stammen derzeit aus Europa – eine Folge struktureller Schwächen bei disruptiven Technologien. Das neue Quantum-Programm zielt darauf, diese Lücke zu schließen. Gleichzeitig betont Virkkunen die strategische Bedeutung: „Technologische Souveränität entsteht nur, wenn wir in Schlüsseltechnologien wie KI, Quanten und Halbleiter investieren.“
Rückenwind kommt aus der Verteidigungsindustrie. Steigende Budgets in mehreren EU-Staaten könnten sich positiv auf kritische Technologien auswirken. Die Verbindung von Rüstung und Digitalwirtschaft rücke zunehmend in den Fokus: „Das ist gute Nachricht für unsere strategisch relevanten Industrien“, so Virkkunen.
Parallel zur Quantum-Offensive treibt die Kommission auch den Ausbau von Großinfrastrukturen im KI-Bereich voran. Die Ausschreibung für fünf sogenannte „AI-Gigafactories“ stieß auf überwältigende Resonanz: 76 Bewerbungen mit potenziellen Investitionszusagen von insgesamt bis zu 230 Milliarden Euro gingen ein.
Doch während neue Initiativen auf dem Weg sind, stockt die Umsetzung des AI Act. Industrievertreter warnen, dass überregulierte Märkte Innovationen bremsen könnten – ein Zielkonflikt, den Brüssel bislang nicht aufgelöst hat.