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EU und USA setzen auf Tempo – transatlantischer Zollstreit vorerst entschärft
Brüssel und Washington beschleunigen Handelsgespräche, um drohende Strafzölle zu vermeiden – der Druck bleibt hoch.

Das Ultimatum für 50-Prozent-Strafzölle auf EU-Waren ist vertagt – bis zum 9. Juli. US-Präsident Donald Trump gab nach einem Telefonat mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überraschend nach. „Wir hatten ein sehr gutes Gespräch, also habe ich zugestimmt, es zu verschieben“, sagte Trump. Damit ist der Ton versöhnlicher, die Probleme jedoch bleiben.
Der wirtschaftliche Druck ist erheblich. Laut Berechnungen von Bloomberg Economics würde die angedrohte Zollrunde den bilateralen Warenhandel im Wert von 321 Milliarden Dollar betreffen, das US-Bruttoinlandsprodukt um 0,6 Prozent schmälern und die Verbraucherpreise um mehr als 0,3 Prozent anheben.
Die EU hat unterdessen nicht nur Gesprächsbereitschaft signalisiert, sondern auch konkrete Angebote gemacht: Die Kommission schlug letzte Woche vor, beiderseitig Zölle auf Industriegüter abzuschaffen, US-Agrarprodukte stärker zuzulassen und gemeinsam Rechenzentren für Künstliche Intelligenz zu entwickeln. Die USA lehnten den Vorstoß jedoch ab.
In Brüssel herrscht dennoch Gesprächsbereitschaft. „Es gibt jetzt neuen Schwung in den Verhandlungen“, sagte Kommissionssprecherin Paula Pinho am Montag. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic soll noch im Laufe des Tages mit US-Handelsminister Howard Lutnick sprechen. Parallel berieten die EU-Botschafter in einer kurzfristig anberaumten Sitzung über das weitere Vorgehen.
Hinter den Kulissen läuft allerdings auch die Vorbereitung auf eine Eskalation. Bereits genehmigt sind EU-Gegenzölle auf US-Waren im Wert von 21 Milliarden Euro – als Antwort auf Trumps Stahl- und Aluminiumzölle. Betroffen wären unter anderem Sojabohnen aus Louisiana, Geflügelprodukte, Motorräder sowie weitere Agrargüter aus wahlrelevanten US-Bundesstaaten.
Ein weiterer Maßnahmenkatalog ist in Arbeit: Zölle auf zusätzliche 95 Milliarden Euro US-Exporte, darunter Industriegüter, US-Autos, Flugzeuge von Boeing und Bourbon. Diese Liste wäre eine direkte Antwort auf Trumps neue „reziproke“ Zölle und Automobilabgaben.
Die Gesprächsbasis bleibt fragil. Auf europäischer Seite wird beklagt, dass unklar sei, was die USA überhaupt fordern – und wer im Weißen Haus wirklich spricht. Umgekehrt kritisieren die Amerikaner die EU für angeblich diskriminierende Regulierung und juristische Verfahren gegen US-Konzerne.
Einige Mitgliedstaaten mahnen dennoch zur Zurückhaltung. Deutschlands Wirtschaftsministerin Katherina Reiche rief zu Besonnenheit auf: „Wir müssen den Ball flach halten“, sagte sie bei einer Veranstaltung in Heilbronn. Die transatlantische Partnerschaft dürfe nicht an Zöllen zerbrechen.