Milliardenloch in der Sozialversicherung – Klingbeil zwischen Sparzwang und wachsendem Zuschussbedarf

Steigende Sozialausgaben zwingen Finanzminister Klingbeil zu höheren Zuschüssen – auf Kosten echter Reformen.

27.5.2025, 18:53
Eulerpool News 27. Mai 2025, 18:53

Die gesetzliche Krankenversicherung steht mit dem Rücken zur Wand: 22 von 58 Kassen hatten zum Jahreswechsel keine Rücklagen mehr, weitere 45 lagen unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve. Die Gesamtreserven reichen im Schnitt noch für gut zwei Tage – ein strukturelles Defizit von 6,2 Milliarden Euro ist offenkundig. Der Bund griff bereits in die Trickkiste und überwies dem Gesundheitsfonds 800 Millionen Euro vorzeitig. Doch das ist bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein.

Nicht besser steht es um die Pflegeversicherung. Laut DAK-Pflegereport wird für 2025 ein Fehlbetrag von 3,5 Milliarden Euro erwartet. 2026 dürfte sich diese Lücke mehr als verdoppeln. Gleichzeitig plant die Bundesregierung, neue Leistungen wie die Ausweitung der Mütterrente zu finanzieren – jährlich fünf Milliarden Euro zusätzlich, allein dafür. Dass unter diesen Bedingungen noch über Beitragssenkungen gesprochen wird, wirkt fast zynisch.

Arbeitsministerin Bärbel Bas muss derweil mit zunehmender Arbeitslosigkeit kämpfen. Im Sommer droht die Drei-Millionen-Marke. Das bringt nicht nur höhere Ausgaben für Arbeitslosengeld mit sich, sondern entwertet auch die Hoffnung, durch Rückführung von Bürgergeldbeziehern signifikant zu sparen. Die eingeplante Kürzung um fünf Milliarden Euro dürfte kaum zu halten sein. Die Rücklagen der Bundesagentur – 3,2 Milliarden Euro – könnten im zweiten Halbjahr aufgebraucht sein, was Kreditbedarf aus dem Bundeshaushalt bedeutet.

Die Rentenkasse ist ein stiller Riese im Hintergrund, doch auch hier türmen sich Lasten: 117 Milliarden Euro Bundeszuschuss flossen 2024 – und weitere Zusagen wie die Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2031 sowie der Ausbau der Mütterrente kommen noch oben drauf. Zwar lag das Rentenbudget in Relation zum BIP 2024 mit 2,7 Prozent unter dem Niveau von 2003 (3,5 Prozent), doch der Spielraum schrumpft rapide.

Vor diesem Hintergrund plant Bundesfinanzminister Lars Klingbeil frühzeitig Gespräche mit den Ministerien. Die Wunschlisten aus den Ressorts übersteigen das finanzierbare Maß deutlich, heißt es intern. Besonders teuer dürften die Gespräche mit Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) und Arbeitsministerin Bas werden. Beide sehen sich strukturellen Ausgabendynamiken gegenüber, die ohne zusätzliche Milliarden nicht mehr zu bedienen sind.

Laut Koalitionsvertrag soll durch höhere Bundeszuschüsse eine weitere Belastung der Beitragszahler vermieden werden. Intern kursieren bereits Zahlen: zehn Milliarden Euro für die gesetzliche Krankenversicherung, sechs Milliarden für die Pflegeversicherung – zusätzlich. Gleichzeitig mahnt Klingbeil zur Haushaltsdisziplin: Die Konsolidierung müsse weitergehen, jeder müsse seinen Beitrag leisten. Doch der Finanzminister weiß auch, dass höhere Beiträge für Bürger und Unternehmen politisch schwer vermittelbar sind.

Ökonom Martin Werding warnt vor einer Symptombekämpfung mit immer neuen Zuschüssen: „Umfinanzierungen lösen die Probleme nicht, sie verschieben sie nur.“ Nötig seien strukturelle Reformen, effizientere Ausgaben und eine Zielgenauigkeit, die dem demografischen Wandel standhält. Selbst Klingbeil sagt inzwischen: „Der Finanzminister kann nicht dauernd angerufen und nach mehr Geld gefragt werden.“

Die Reformkommission zur Finanzierung der Krankenkassen soll nun – entgegen ursprünglicher Planungen – früher liefern. Gesundheitsministerin Warken will erste Vorschläge bereits vor 2027 präsentieren. Denn klar ist: Die Zeit drängt. Und die Spielräume im Bundeshaushalt sind so eng wie selten.

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