Mitten in laufenden Verfahren gegen US-Tech-Konzerne hat Washington überraschend Einreisebeschränkungen gegen „ausländische Behörden“ verhängt. US-Außenminister Marco Rubio begründet den Schritt mit dem Vorwurf, ausländische Akteure würden sich „mitschuldig machen an der Zensur amerikanischer Staatsbürger“. Die Maßnahmen treten sofort in Kraft – und zielen faktisch auf Europa.
Rubios Ankündigung erfolgte wenige Stunden vor einem Treffen mit dem deutschen Außenminister Johann Wadephul. Auch wenn das Thema offiziell nicht angesprochen wurde, war die Botschaft klar: Wer gegen US-Bürger auf Plattformen wie Facebook oder X juristisch vorgeht, soll künftig nicht mehr in die Vereinigten Staaten reisen dürfen. „Wir werden keine Eingriffe in unsere Souveränität dulden“, so Rubio.
Im Fokus steht insbesondere die Digitalpolitik der EU. Seit Inkrafttreten des Digital Services Act (DSA) und des Digital Markets Act (DMA) verschärft Brüssel den Ton gegenüber den großen Tech-Plattformen. Im April verhängte die EU-Kommission erstmals empfindliche Geldstrafen: 700 Millionen Euro gegen Apple und Meta. Vorgeworfen wird unter anderem, Nutzer durch restriktive App-Store-Regeln oder datenbasierte Bezahlmodelle zu benachteiligen.
In US-Regierungskreisen wächst die Kritik, dass Brüssel mit seinen Gesetzen in die Meinungsfreiheit eingreife – ein Vorwurf, der zuletzt von Samuel Samson, einem führenden Berater des State Department, auf der offiziellen Website des Ministeriums wiederholt wurde. Besonders Deutschland gerät in die Schusslinie: Samson spricht von einem „ausgeklügelten System zur Überwachung und Zensur von Onlinediskussionen“. Als Beleg dient unter anderem ein Bericht über deutsche Ermittlungen gegen mutmaßliche Hatespeech.
In der Tech-Branche wächst die Sorge. Google meldete bereits einen Rückgang bei Hoteldirektbuchungen, Meta reagierte mit werbefreien Abo-Modellen. Die Unternehmen drängen Washington zu Gegenmaßnahmen – Rubios Schritt wird als Antwort auf diesen Lobbydruck verstanden.
Dass die neuen Visaregeln auch Familienangehörige treffen könnten, verdeutlicht die Tragweite. Aus Regierungskreisen in Brüssel heißt es, man nehme die Eskalation mit Sorge zur Kenntnis. Öffentlich bleibt man bislang zurückhaltend – wohl auch, um die fragile wirtschaftliche Balance nicht weiter zu gefährden.
Wadephul äußerte sich diplomatisch. Von Meinungsverschiedenheiten könne eine Partnerschaft nicht erschüttert werden. Doch die amerikanische Botschaft ist eindeutig: Wer amerikanische Grundrechte in Frage stellt, muss mit politischem Gegendruck rechnen.