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Stühlerücken in britischen Vorstandsetagen entfacht Debatte über Trennung von CEO und Chair

Der dogmatische Ausschluss kombinierter CEO- und Chair-Rollen in Großbritannien gerät im globalen Wettbewerb zunehmend ins Wanken.

Eulerpool News 28. Juli 2025, 17:32

HSBC tut sich schwer, einen Nachfolger für den scheidenden Verwaltungsratsvorsitzenden Mark Tucker zu finden – ein Problem, das derzeit auch BP und Prudential beschäftigt. Die Suche nach erfahrenem Personal mit ausreichender zeitlicher Verfügbarkeit erweist sich als aufwendig. In den USA wäre die Lösung einfacher: Dort vereinen viele Konzerne die Ämter von CEO und Chair in einer Person – ein Modell, das in Großbritannien nach wie vor als Tabubruch gilt.

Während der UK Corporate Governance Code explizit eine Trennung der Funktionen fordert – mit „comply or explain“-Ansatz – ist die kombinierte Doppelrolle in den USA weit verbreitet. Etwa 40 Prozent der S&P-500-Unternehmen vereinen beide Posten, darunter sechs der zehn größten Konzerne nach Marktkapitalisierung. Laut Freshfields gab es im laufenden Jahr 31 Aktionärsanträge zur Trennung der Ämter – keiner erhielt eine Mehrheit. Im Schnitt stimmten nur 31 Prozent dafür.

Die US-Seite argumentiert mit einem alternativen Kontrollmechanismus: dem Lead Independent Director. Bei JPMorgan etwa fungiert diese Position als verlängerter Arm der Anteilseigner, überwacht die Boardarbeit und dient als Korrektiv zum mächtigen CEO. Zwei Drittel der S&P-500-Firmen mit vereinter CEO- und Chair-Funktion setzen auf diesen Ansatz.

Die Vorstellung, dass allein ein unabhängiger Chair für gute Governance sorgt, ist brüchig. Tesla zeigt, dass auch formal getrennte Strukturen Missbrauch nicht verhindern. Umgekehrt kann übermäßige Fokussierung auf den Vorsitzenden den Rest des Boards schwächen. Kollektive Verantwortung, regelmäßige Standortbesuche und aktive Kontrolle durch alle Direktoren könnten wirksamer sein als ein dominanter Einzelposten.

Doch wo CEO und Chair verschmelzen, zählt das Drumherum mehr. In den USA gibt es Beispiele, die britische Investoren eher abschrecken dürften: John Thornton, Lead Director bei Ford, sitzt seit 1996 im Board und übt dasselbe Amt bei drei weiteren Konzernen aus. Auch bei Alphabet ist der Chair seit über 20 Jahren an Bord.

Mit dem Druck, börsennotierte Unternehmen im Wettbewerb mit den USA zu halten, könnte nun auch in Großbritannien Bewegung in die Governance-Debatte kommen. Dual-Class-Aktien, lange tabu, sind inzwischen zulässig. Die pauschale Ablehnung kombinierter Führungsrollen wirkt vor diesem Hintergrund zunehmend wie ein Reflex – nicht wie ein Ergebnis differenzierter Risikoabwägung.

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