Nach der Abschaffung der zollfreien „de minimis“-Einfuhrregel durch die Trump-Regierung steht Temu, der E-Commerce-Ableger von PDD Holdings, in den USA unter Zugzwang. Die ursprünglich auf billige Direktimporte aus China ausgerichtete Plattform sucht dringend nach inländischen Lieferanten – und stößt dabei auf die Marktmacht von Amazon.
Laut mehreren Gesprächspartnern aus dem Handelsumfeld verweigern viele US-Hersteller Temu den Zugang zu markengleichen Produkten zu günstigeren Preisen als bei Amazon. „Wir haben ihnen gesagt, dass sie Amazon mit denselben Produkten nicht unterbieten können. Es muss etwas klar anderes sein“, so ein führender Drittanbieter.
Die US-Nutzerzahlen sind seit März massiv eingebrochen: Von 80 Millionen aktiven monatlichen Nutzern fiel die Zahl laut Sensor Tower bis Mitte Juli um 54 Prozent auf 37 Millionen. Grund dafür ist unter anderem ein monatelanger Werbestopp, den Temu in den USA verhängte. Erst Ende Juni wurde das Marketing wieder aufgenommen – zuvor hatte Temu allein auf Facebook und Instagram rund 1,4 Milliarden Dollar investiert.
Als Reaktion auf die veränderten Handelsbedingungen versucht Temu nun, sich als Plattform für US-Marken und Drittanbieter neu zu positionieren – inklusive Anreizen wie reduzierten Verkaufsgebühren. Doch laut Brancheninsidern scheitert dieser Plan oft daran, dass Amazon dank seines Skalenvorteils einfach nachziehen kann.
Amazon bestimmt in vielen Produktkategorien die Preisuntergrenze. Wer auf Temu günstiger verkauft, riskiert den Verlust der „Buy Box“ auf Amazon – also jenes Felds, über das der Großteil aller Verkäufe generiert wird. Drittanbieter verlieren damit unmittelbar Umsatz.
Hinzu kommt: Temu bestimmt die Verkaufspreise auf seiner Plattform selbst, wodurch Händler die Kontrolle über ihre Margen verlieren. Viele scheuen dieses Risiko, weil Preisanpassungen auf Temu sich unmittelbar auf ihre Verkäufe bei Amazon auswirken würden.
Einige Experten sehen für Temu nur Chancen in Nischenstrategien: etwa durch den Vertrieb von Retouren, No-Name-Ware oder Mengenrabatten. „Ohne Milliardenverluste über Jahre hinweg wird PDD gegen Amazon nur mit smarteren Konzepten bestehen können“, sagt Berater Martin Heubel.
Amazon wiederum verweist auf die Autonomie seiner Partner. Diese könnten selbst über Sortiment und Preisgestaltung entscheiden, würden aber auch bewusst Vereinbarungen eingehen, bei denen Amazon die Marge durch Preisanpassungen sichert.
Temu erklärte auf Anfrage, man setze auf „fairen und offenen Wettbewerb“ und kritisierte implizit Amazons Marktdominanz: „Händler verdienen die Freiheit zu entscheiden, wo und wie sie verkaufen – ohne eingeengt zu werden.“