Russell Wilsons zweiter Akt: Eine Karriere am Scheideweg

Als Russell Wilson am 27. April 2012 den Anruf von den Seattle Seahawks erhielt, war ihm nicht bewusst, wie bedeutend dieser Moment für seine Karriere sein würde. Trotz eines frisch unterzeichneten Drei-Jahres-Vertrags für Matt Flynn entschieden sich die Seahawks, in der dritten Runde der Draft den vermeintlich zu kleinen Quarterback aus Wisconsin zu verpflichten – eine Entscheidung, die die Franchise-Geschichte maßgeblich beeinflusste. Wilson kam von einer beeindruckenden Saison in Wisconsin, die er mit einer Abschlussquote von 72,8 Prozent, 3.175 Yards sowie 33 Touchdowns und nur vier Interceptions beendete. Trotz seiner offensichtlichen Talente zweifelten viele an seiner Zukunft in der NFL – aufgrund seiner Größe von nur 1,80 Metern. Einige sahen in ihm eher einen Baseballspieler als einen künftigen NFL-Star. Ein Dutzend Jahre später, nach neun Pro Bowl-Teilnahmen, einem Super Bowl-Sieg und einer turbulenten Zeit in Denver, erhielt Wilson erneut einen karriereverändernden Anruf – diesmal von Steelers-Defensivspieler Cameron Heyward. Heyward war überzeugt, dass Wilson den Steelers helfen könnte, die begehrte Lombardi-Trophäe zu gewinnen. Von Beginn an war klar, dass Wilson die besten Chancen auf die Starter-Position für Week 1 hatte. Trotz Coach Mike Tomlins Beharren auf eine echte Konkurrenzsituation im Trainingscamp und der Preseason wurde Wilson als Starter für die kommende Saison bekannt gegeben. Doch nun, nach zwei turbulenten Jahren in Denver, sind die Zweifel an Wilsons Fähigkeiten wieder aufgetaucht. Wilson selbst erklärte, dass eine teilweise gerissene Lattissimus-Sehne in seiner Wurf-Schulter für seine schwache Saison 2022 verantwortlich sei. Auch habe er stark unter Druck gestanden, was sich in der Liga-Höchstzahl von 100 Sacks über zwei Saisons widerspiegelte – ein Problem, das auch bei den Steelers bisher bestand. Obwohl Wilsons Karriere von Hall of Fame-Potenzial geprägt ist, gibt es keine Garantie, dass er seinen Platz als Starter behaupten kann. Die Steelers haben keine Vertragsverlängerung vor Beginn der Saison angeboten und auch Justin Fields als mögliche Alternative verpflichtet. Wilson hat nun die Gelegenheit, die letzten Jahre in Denver als Ausrutscher zu entlarven und seine Karriere neu zu beleben. Schafft er dies, könnten ihn lukrative Angebote in der kommenden Offseason erwarten, ähnlich wie bei Kirk Cousins und Baker Mayfield. Doch sollte Wilson erneut enttäuschen, steht seine Karriere möglicherweise endgültig auf dem Spiel. Wilson betont, dass er sich trotz aller Rückschläge jung und motiviert fühlt. Ob diese Zuversicht jedoch in Resultate umschlägt, wird die kommende Saison zeigen. Am Ende dieser Saison wird sich entscheiden, ob Wilsons Zeit als NFL-Starter vorbei ist oder ob er seine Karriere und seinen Legacy ein weiteres Mal revitalisieren kann.