Pharma

AstraZeneca denkt über US-Listing nach – Warnsignal für den britischen Kapitalmarkt

Ein möglicher Börsenwechsel von AstraZeneca in die USA entfacht Sorgen über den Zustand des britischen Kapitalmarkts.

Eulerpool News 4. Juli 2025, 12:12

Die Aktien von AstraZeneca legten am Dienstag um 2,9 Prozent auf 10.446 Pence zu, nachdem Berichte über ein mögliches Listing des Pharmakonzerns an einer US-Börse bekannt wurden. Unternehmenschef Pascal Soriot soll laut Insiderkreisen hinter verschlossenen Türen über entsprechende Schritte nachgedacht haben – vor dem Hintergrund zunehmender Frustration über regulatorische Hürden und Standortbedingungen in Großbritannien.

Die Diskussion trifft einen wunden Punkt im Vereinigten Königreich: AstraZeneca ist mit Abstand das größte Unternehmen im FTSE 100 und gilt als Aushängeschild für britische Innovationskraft im Pharmasektor. Ein Abgang würde nicht nur einen symbolischen Verlust darstellen, sondern auch konkrete Risiken für die Attraktivität des Londoner Finanzplatzes bedeuten.

Einige Anteilseigner sehen im potenziellen Börsengang in New York auch eine Chance: Die USA bieten eine tiefere Liquidität und spezialisiertere Investoren, die das Potenzial von Arzneimitteln in frühen Entwicklungsphasen besser bewerten könnten. Zudem würde ein US-Listing deutlich mehr Spielraum bei der Vergütung des Topmanagements schaffen. Soriot erhielt im Jahr 2023 ein Gehalt von 16,9 Mio. Pfund – für FTSE-Verhältnisse ein Rekordwert, der jedoch hinter den Durchschnittsgehältern von S&P-500-CEOs zurückbleibt.

Hintergrund der Unzufriedenheit ist auch die schwierige Beziehung zwischen AstraZeneca und der britischen Regierung. Die Ablehnung eines wichtigen Brustkrebsmedikaments durch das NHS sowie der Rückzug staatlicher Subventionen für ein geplantes Werk in Speke haben das Verhältnis belastet. Soriot kritisierte wiederholt die Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsprüfung neuer Medikamente in Großbritannien.

Während Insider betonen, dass noch keine endgültige Entscheidung über einen Börsenwechsel gefallen sei, warnen führende Fondsmanager wie Sonja Laud von Legal & General vor den strukturellen Schwächen des britischen Kapitalmarkts. Die zunehmende Zahl an Delistings und US-Abwanderungen – zuletzt beim Fintech-Unternehmen Wise – lasse Zweifel an der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit Londons aufkommen.

Der mögliche Schritt von AstraZeneca fällt zudem in eine politisch sensible Phase: Die Trump-Administration erhöht aktuell den Druck auf Pharmakonzerne mit Androhungen von Preisregulierungen und Strafzöllen. Ein Listingwechsel wäre daher nicht nur ein betriebswirtschaftlicher, sondern auch ein geopolitischer Akt mit Signalwirkung.

In der Regierung zeigt man sich indes gelassen. Ein Insider kommentierte lakonisch, Soriot sei lediglich „grumpy“. Doch in der Branche wächst die Nervosität – nicht nur wegen AstraZeneca, sondern weil der britische Standort an Strahlkraft zu verlieren droht. Ein führender institutioneller Investor bringt es auf den Punkt: „Geht AstraZeneca, geht weit mehr als nur ein Listing verloren – es geht um Arbeitsplätze, Forschung und wirtschaftliches Vertrauen.“

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