Boeing steht kurz davor, einen der langwierigsten und öffentlichkeitswirksamsten Justizkonflikte seiner jüngeren Geschichte beizulegen. Wie aus einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC hervorgeht, hat der Flugzeugbauer eine Einigung mit dem US-Justizministerium (DoJ) erzielt, die eine strafrechtliche Verfolgung wegen Betrugs an der Luftfahrtbehörde FAA abwenden würde – sofern ein Bundesrichter zustimmt.
Im Kern sieht die Vereinbarung vor, dass Boeing ein früheres Schuldanerkenntnis zurückziehen kann. Dieses war im Zuge zweier Abstürze des 737-Max-Modells abgegeben worden, bei denen in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt 346 Menschen ums Leben kamen. Als Gegenleistung verpflichtet sich Boeing zur Zahlung von 444,5 Millionen Dollar an die Hinterbliebenen der Opfer.
Die Familien der Opfer lehnen die Vereinbarung entschieden ab und kämpfen derzeit juristisch gegen die Umsetzung. Sie haben bis zum 18. Juni Zeit, dem zuständigen Gericht ihre Argumente darzulegen. Boeing und das DoJ erhalten eine Woche zur Erwiderung. Der zuständige Richter, Reed O’Connor, hatte in der Vergangenheit bereits überraschende Entscheidungen getroffen – etwa im Jahr 2022, als er die Familien als rechtlich anerkannte Opfer einstufte, und Ende 2023, als er einen ersten Deal aufgrund unzureichender gerichtlicher Kontrolle und einer umstrittenen Diversity-Klausel ablehnte.
Kern des ursprünglichen Vorwurfs war eine irreführende Kommunikation Boeings mit der FAA über sicherheitsrelevante Schwächen im Flight Control Software-System MCAS, das in beiden Unglücksflügen eine entscheidende Rolle spielte. Nach den Abstürzen war die 737 Max weltweit über Monate hinweg gegroundet worden.
Bereits 2021 hatte Boeing einem Vergleich über 2,5 Milliarden Dollar zugestimmt, inklusive einer dreijährigen Bewährungsphase unter Aufsicht des Justizministeriums. Doch Anfang 2024 eskalierte die Lage erneut, nachdem sich bei einem kommerziellen Flug ein Rumpfteil einer 737 Max löste – ein Vorfall, der das Vertrauen in das Programm erneut erschütterte und das DoJ zum Handeln zwang.
Nun steht viel auf dem Spiel – nicht nur für Boeing, sondern auch für die Glaubwürdigkeit der US-Justiz im Umgang mit Unternehmensverfehlungen von globalem Ausmaß.