Economics

Peking fragt in Europa nach: Chinas Notenbank sondiert Strategien gegen drohende „Japanifizierung“

Die chinesische Zentralbank bittet europäische Finanzhäuser um Rat für den Umgang mit anhaltend niedrigen Zinsen.

Eulerpool News 4. Juli 2025, 17:37

Die People’s Bank of China (PBoC) hat sich in diesem Jahr mit ungewöhnlichen Anfragen an mehrere europäische Banken gewandt. Hintergrund ist die Sorge um eine mögliche Deflation und ein längerfristiges Niedrigzinsumfeld in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Mindestens zwei Institute erhielten laut mit der Angelegenheit vertrauten Personen offene Fragen zur Erfahrung mit Nullzinsregimen und deren Auswirkungen auf die Bankensysteme ihrer Heimatländer. Die Anfragen der PBoC wurden als vorsorglich eingestuft – ein Signal für wachsende Nervosität im Pekinger geldpolitischen Apparat.

Die Zentralbank hatte in den vergangenen zwölf Monaten die Leitzinsen mehrmals gesenkt. Der Benchmark Policy Rate wurde von 1,8 auf 1,4 Prozent reduziert, der einjährige Loan Prime Rate von 3,5 auf 3,0 Prozent. Dennoch bleibt die Wirkung begrenzt: Die Inflation liegt seit Monaten im negativen Bereich, Konsum und Kreditvergabe stagnieren.

Analysten wie Richard Xu von Morgan Stanley sehen in diesen Schritten einen Strategiewechsel: „Die PBoC nimmt die Nebenwirkungen niedriger Zinsen zunehmend ernst.“

Aus dem jüngsten geldpolitischen Quartalsbericht geht hervor, dass die Zentralbank künftig bei Tempo und Intensität geldpolitischer Maßnahmen zurückhaltender agieren will. Eine weitere Senkung des Reservesatzes oder der Leitzinsen sei kurzfristig unwahrscheinlich, hieß es in Marktanalysen.

Das Problem reicht tiefer: Mit fallenden Langfristzinsen – die Rendite für 30-jährige chinesische Staatsanleihen sank innerhalb eines Jahres von 2,42 auf 1,86 Prozent – geraten regionale Banken unter Druck. Die Behörden warnten bereits vor Zinsschocks, wie sie zur Pleite der Silicon Valley Bank 2023 beigetragen hatten.

Ein europäischer Vermögensverwalter berichtete, dass chinesische Staatsbanken und Versicherungen im ersten Quartal 2025 ebenfalls um Rat gefragt hätten. Die Antworten – unter anderem Empfehlungen zu höher rentierlichen Anlageklassen wie Aktien oder kostengünstigen ETFs – seien anschließend an die PBoC weitergegeben worden.

Der Vergleich mit Japan ist dabei allgegenwärtig. Ökonomen sprechen von der Gefahr einer strukturellen Wachstumsschwäche und einem „Verlorenen Jahrzehnt“ à la Tokio. Die Anfragen nach Europa zeigen: Chinas Währungshüter versuchen, Lehren aus der Vergangenheit anderer zu ziehen, bevor sich die Lage verfestigt.

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